Wechselt
ein alleinfahrender Kraftfahrer das zunächst für das Fahrerfach 1 des
EG-Kontrollgeräts (Zweifahrergerät) eingelegte Schaublatt, auf dem die
Lenkzeit aufgezeichnet wird, in das Fahrerfach 2, wobei er gleichzeitig ein
weiteres auf ihn laufendes Schaublatt in das Fahrerfach 1 einlegt, um die
Nichteinhaltung der erforderlichen Ruhezeit zu verschleiern, so ist dieses
Verhalten ordnungswidrig im Sinne des Fahrpersonalgesetzes (FPersG), erfüllt
aber nicht den Tatbestand des § 268 Absatz 3 StGB.
BayObLG, Urteil vom 17. 4. 2001 - 4 St RR 31/01
Zum
Sachverhalt:
Am 11. 8. 2000 fuhr der Angeklagte mit einem Sattelzug seiner Arbeitgeberfirma
von W. nach B. Die Zugmaschine war mit dem vorgeschriebenen EG-Kontrollgerät
ausgerüstet. Bei Fahrtantritt gegen 10.45 Uhr legte der Angeklagte eine mit
seinem Namen ausgefüllte Diagrammscheibe in das Gerät und führte den Zug
anschließend bis 15.30 Uhr. Sodann entnahm er die Diagrammscheibe und legte sie
in das so genannte Zweitfahrerfach des Kontrollgeräts ein. Gleichzeitig legte
er in das Fahrerfach ein ebenfalls mit seinem Namen versehenes neues Schaublatt
ein und setzte seine Fahrt ohne Ruhepause fort. Hierdurch wollte der Angeklagte
den Eindruck erwecken, dass er selbst ab 15.30 Uhr nur noch Beifahrer war und
ein anderer Fahrer die Zugmaschine führte, obwohl es während der gesamten
Fahrt keinen zweiten Fahrer gab. Wie von ihm beabsichtigt, zeichnete die im
Zweifahrerfach liegende erste Diagrammscheibe eine Ruhezeit auf, obwohl der
Angeklagte das Fahrzeug tatsächlich führte. Durch sein Handeln wollte er die
Überschreitung der gesetzlich zulässigen Höchstlenkzeit vertuschen. Nach
15.30 Uhr legte der Angeklagte mit dem Fahrzeug weitere 125 km bis zum Zielort
B. zurück.
Die Staatsanwaltschaft hatte wegen dieses Sachverhalts einen Strafbefehl wegen Fälschung
technischer Aufzeichnungen beantragt. Das Amtsgericht lehnte durch Beschluss vom
16. 11. 2000 den Erlass dieses Strafbefehls ab und beraumte Hauptverhandlung an.
Am 15. 12. 2000 verurteilte es den Angeklagten „wegen vier rechtlich
zusammentreffender vorsätzlicher Zuwiderhandlungen gegen Art. 13 der EWG-VO
3821/85 i.V. mit § 10 Nr. 1 lit.b der Fahrpersonal-VO (als Fahrer nicht für
ordnungsgemäße Verwendung des Kontrollgeräts gesorgt), Art. 15 Absatz 2
Unterabs. 1 S. 2 EWG-VO 3821/85 i.V. mit § 10 Nr. 3 lit.a Fahrpersonal-VO
(Schaublatt vor Ende der täglichen Arbeitszeit entnommen), Art. 15 Absatz 3
lit.a der EWG-VO 3821/85 i.V. mit § 10 Nr. 3 lit.c Fahrpersonal-VO (als Fahrer
die Schaltvorrichtung des Kontrollgeräts nicht so betätigt, dass Lenkzeiten
ordnungsgemäß aufgezeichnet wurden), Art. 7 Absatz 1 EWG-VO 3820/85 i.V. mit
§ 9 Nr. 1 lit.c Fahrpersonal-VO (Unterbrechung oder Ruhezeit nicht eingelegt),
nach § 8 Absatz 1 Nr. 2, Absatz 2 FPersG zu einer Geldbuße von 500 DM.“
Hiergegen richtete sich die zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte Revision der
Staatsanwaltschaft, mit der sie die Verletzung sachlichen Rechts beanstandete
und eine Verurteilung wegen Fälschung technischer Aufzeichnungen erstrebte.
Das Rechtsmittel hatte zu Lasten des Angeklagte keinen Erfolg, wohl aber zu
seinen Gunsten.
Aus den Gründen:
Die Revision der Staatsanwaltschaft ist zulässig, aber unbegründet, soweit sie
zu Ungunsten des Angeklagten eingelegt ist, führt jedoch zu Gunsten des
Angeklagten zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung an
die Vorinstanz.
1. Eine Verurteilung nach § 268 StGB ist auf Grund der vom Amtsgericht
getroffenen Feststellungen nicht möglich. Eine störende Einwirkung auf den
Aufzeichnungsvorgang i.S. des § 268 Absatz 3 StGB kann sich zum einen auf die
Anzeigeeinrichtung, zum anderen aber auf den Gegenstand (Medium) der Darstellung
beziehen. Da die technische Aufzeichnung in Abs. 2 der Vorschrift durch die
Selbsttätigkeit des technischen Geräts gekennzeichnet ist, sind daher alle
jene Eingriffe in diese Selbsttätigkeit als störende Einwirkung auf den
Aufzeichnungsvorgang zu qualifizieren. Fremdbetätigungen des technischen Geräts,
die von seiner Funktionsweise her vorgesehen sind (wie z.B. Öffnen und Schließen
des Geräts, Einlegen und Entnehmen von Schaublättern), fallen demnach nicht
hierunter. Entscheidend ist somit, ob das Gerät seiner ordnungsgemäßen
Funktionsweise entsprechend nicht so bedient werden kann, und nicht, ob es auf
Grund von Umständen, die außerhalb seiner Funktionsweise liegen, nicht so
bedient werden darf.
Dementsprechend sind in der Rechtsprechung als störende Einwirkung angesehen
worden das Verbiegen des Geschwindigkeitsschreibers (BayObLGSt 1995, 46) und das
Verstellen der Zeituhr des Kontrollgeräts (BayObLG, MDR 1986, 688; OLG Hamm,
NJW 1984, 2173) oder das Verwenden gerätefremder Diagrammscheiben (BGHSt 40, 26
= NJW 1994, 743 = NStZ 1994, 547). Hierher gehören auch das Einkleben eines
Fremdkörpers in die Aussparung des Abdeckblechs auf der Rückseite des
Fahrtschreibers und das Verändern des Zahnzahlenverhältnisses am
Ausgleichsgetriebe (vgl. Gerlach/ Mergenthaler, Kraftverkehrskontrolle, Bd. II,
Stand: 12. 2000, StGB, § 268 Rdnr. 7).
Nicht als störende Einwirkung ist angesehen worden das Nichtaufziehen des
Uhrwerks, Nichteinlegen eines Schaublatts (vgl. BayObLG bei Rüth, DAR 1996,
225, 231), das Abschalten des Geräts durch Öffnen des Gerätedeckels (BayObLGSt
1973, 158 = NJW 1974, 325; vgl. hierzu auch weitere Nachweise auch zur
Gegenmeinung bei Fischer/ Tröndle, StGB, 50. Aufl., § 268 Rdnr. 13d).
Das so genannte Zwei-Fahrergerät gem. Art. 15 Absatz 2 Unterabs. III VO (EWG)
Nr. 3821/85 muss gem. Nr. III lit.c 4.1 des Anhangs I zu dieser Verordnung so
gebaut sein, dass die Lenkzeit immer automatisch (im Fahrerschacht 1)
aufgezeichnet wird und die übrigen Zeitgruppen gem. Art. 15 Absatz 3, zweiter
Gedankenstrich lit.b, c und d der Verordnung durch die Betätigung einer
Schaltvorrichtung (Zeitgruppenschalter) unterscheidbar aufgezeichnet werden können;
diese Aufzeichnungen müssen gem. Nr. III lit.c 4.3 des genannten Anhangs auf
zwei getrennten, den einzelnen Fahrern zugeordneten Schaublättern erfolgen.
Ein Fahrerwechsel kann demnach nur dadurch dokumentiert werden, dass der zunächst
Fahrende, der sein Schaublatt im Fahrerschacht 1 eingelegt hatte, dieses nunmehr
in den Fahrerschacht 2 einlegt und hier den Zeitgruppenschalter gemäß Art. 15
III zweiter Gedankenstrich lit.b, c oder d betätigt, während der nun das
Fahrzeug übernehmende Fahrer sein Schaublatt aus dem Fahrerschacht 2 in den
Fahrerschacht 1 einlegt, wo die Lenkzeit automatisch aufgezeichnet wird. Alle
diese Vorgänge sind nach der Funktionsweise des Zweifahrergeräts so
vorgesehen. Darüber, ob im Fahrzeug tatsächlich mehrere Fahrer zur Verfügung
stehen, sagt das Gerät selbst nichts aus. Das Gerät kann daher auch durch
einen Fahrer so bedient werden, auch wenn es so nicht bedient werden darf. In
die Arbeitsweise des Geräts wird daher nicht eingegriffen, wenn zwei Schaublätter
nur durch einen Fahrer verwendet werden. Das Gerät dokumentiert daher nur, dass
im Fahrerschacht 2 ein Schaublatt eingelegt ist bzw. war und eine Zeit i.S. von
Art. 15 III zweiter Gedankenstrich lit.b bis d aufgezeichnet worden ist. Damit
wird nicht die Zuverlässigkeit des technischen Herstellungsvorgangs in Frage
gestellt, sondern nur die Zuverlässigkeit entsprechender Bekundungen des auf
dem Schaublatt eingetragenen Fahrers.
Damit sieht sich der Senat in Übereinstimmung mit dem OLG Stuttgart (NStZ-RR
2000, 11, 12), dem OLG Brandenburg (VRS 92, 373, 375) und dem KG (VRS 57, 121,
122), wobei letztere beiden in vergleichbaren Fällen nur von
Ordnungswidrigkeiten nach dem Fahrpersonalgesetz bzw. der Straßenverkehrsordnung
ausgegangen sind.
Im Gegensatz zu der von der Staatsanwaltschaft vertretenen Auffassung lässt
sich eine andere Wortauslegung auch nicht damit rechtfertigen, dass im Gegensatz
zur allgemeinen Meinung als Rechtsgut ein Interesse an der inhaltlichen, mit den
Vorschriften des Fahrpersonalrechts übereinstimmenden Richtigkeit postuliert
wird. Denn dann ist eine Abgrenzung des Tatbestands von falschen
Eigeneintragungen des Fahrers auf dem Schaublatt nicht mehr möglich. Eine
derartige Auslegung des geschützten Rechtsguts lässt sich auch nicht aus der
Begründung des Entwurfs des Strafgesetzbuchs (E 1962 § 306; BT-Dr. IV/650, S.
481/482) entnehmen, in dem die Abgrenzung der technischen Aufzeichnungen von der
Urkunde als einer von einem menschlichen Willen geleiteten Erklärung gesehen
wird und Abs. 4 (störende Einwirkung auf den Aufzeichnungsvorgang) zwar auch
vom Inhalt des Abs. 1 als mitumfasst angesehen, aber zum Ausschluss jeglichen
Zweifels eingefügt worden ist. Zielrichtung sei der strafrechtliche Schutz des
Vertrauens auf die Zuverlässigkeit und technische Vollkommenheit der selbsttätigen
Vorrichtung im Rechtsverkehr.
An diesen Vorstellungen des Gesetzgebers hat sich im Laufe der Beratungen des 1.
Strafrechtsreformgesetzen vom 25. 6. 1969 (BGBl I, 645 ; vgl. auch BT-Dr V/4094,
S. 37 ) nichts geändert, durch dessen Art. 1 Nr. 79 die Vorschrift des § 268
in das Strafgesetzbuch eingefügt worden ist.
2. Auch ein Vergehen der Urkundenfälschung gem. § 267 StGB scheidet aus, da
der Angeklagte das noch vorhandene erste Schaublatt mit seinem Namen und
Vornamen ausgefüllt hat und weil ausgeschlossen werden kann, dass das
inzwischen vernichtete zweite Schaublatt eine hiervon abweichende
Fahrerbezeichnung aufgewiesen hätte (vgl. OLG Karlsruhe, VRS 97, 166, 167).
3. Die Revision der Staatsanwaltschaft führt jedoch (zu Gunsten des
Angeklagten) zur Aufhebung des angefochtenen Urteils.
3. 1. Soweit eine Verurteilung wegen einer Ordnungswidrigkeit gem. § 8 Absatz 1
Nr. 2, Absatz 2 FPersG, § 9 Nr. 1 lit.c FPersV, Art. 7 Absatz 1 VO (EWG) Nr.
3820/85 erfolgt ist, hält das angefochtene Urteil einer rechtlichen Überprüfung
nicht stand, da es an der Feststellung des Gesamtgewichts des vom Angeklagten
geführten Lastzugs fehlt. Die genannte EWG-Verordnung gilt nach ihrem Art. 4
Nr. 1 nur für der Güterbeförderung dienende Fahrzeuge mit einem zulässigen
Gesamtgewicht von mehr als 3,5 t.
Eine Ordnungswidrigkeit nach § 8 Absaz 1 Nr. 1, Absatz 2 FPersG, §§ 8 Nr. 1
lit.c, 6 Absatz 1 (Nr. 1) FPersV, Art. 7 Absatz 1 VO (EWG) Nr. 3820/85 könnte
nur dann vorliegen, wenn das zulässige Gesamtgewicht 2,8 t überstiege.
3. 2. Die Verurteilung wegen Verstoßes gegen die VO (EWG) Nr. 3821/85 setzt über
deren Art. 3 I Halbs. 2 und die Verweisung auf Art. 4 der VO (EWG) Nr. 3820/85
ebenfalls ein zulässiges Gesamtgewicht von mehr als 3,5t voraus. Gem. Art. 3
Absatz 4 der VO (EWG) Nr. 3821/85 sieht § 57a Absatz 3 StVZO die wahlweise
Verwendung von Fahrtschreibern und EG-Kontrollgerät vor. Das EG-Kontrollgerät
ist gem. § 57a Absatz 3 Satz 2 StVZO nach den Art. 13 bis 16 der VO (EWG) Nr.
3821/85 zu betreiben. Ein Verstoß hiergegen kann zu einer Ordnungswidrigkeit
nach § 24 StVG, § 69a Absatz 3 Nr. 25 lit.a StVZO führen…